„Alleine“ – was für ein trauriges Wort. Fast schon unangenehm. Es kann nicht gut tun, muss wehtun. Hat diesen einen Beigeschmack. Zumindest ziehen ganz schön viele Menschen verunsicherte Gesichter, wenn sie das Wort aussprechen müssen. Es ist etwas, das man nicht haben will. Von dem man erst gar nicht probieren möchte. „Alleinsein“ ist kein Zustand, der erstrebenswert ist oder etwa doch?
„Du willst schon wieder alleine in den Urlaub fliegen? Hat das eine Mal nicht gereicht?“
„Ja, will ich.“
„Wieder Alleine? Echt jetzt? Dein Ernst?“
Okay, es scheint nicht nur komisch zu sein, sondern schier unfassbar. Ja, ich möchte wieder alleine verreisen. Echt jetzt. Mein voller Ernst.
Ich bin alleine, arm und ohne Freunde!
In unserer Gesellschaft ist es vollkommen in Ordnung zu sagen: „Ich bleibe heute Abend mal allein daheim und mach’ es mir auf der Couch gemütlich. Mit Tiefkühl-Pizza und Netflix.“ Ja, diese Kombination ist gesellschaftlich gerade noch so angesehen. Doch sobald „allein“ in einem anderen Kontext verwendet wird, provoziert es genau diese seltsamen Blicke. Und schürt Fassungslosigkeit. Völliges Unverständnis!
Weil es anscheinend nicht normal ist. Wir Menschen schließlich von Natur aus Rudeltiere sind. Dafür gemacht sind, von anderen umgeben zu sein. Wir das brauchen. Und das stimmt. Dagegen möchte ich auch gar nichts einwenden, denn schon rein evolutionstechnisch wäre es ziemlich schnell mit uns vorbei gewesen, wenn man auf das Alleinsein bestanden hätte. Da wäre nichts mit Bienchen und Blümchen gewesen. Da würde es dich und mich nicht geben. Und das macht Sinn. Also dass wir nicht dafür geboren sind, alleine zu sein.
Und wenn da jemand ist, der gerne alleine ist, dann wirkt das auf uns komisch. In irgendeiner Form befremdlich. In Assoziation mit der Öffentlichkeit vollkommen utopisch. Unvorstellbar reiner Wahnsinn!
Eine Frau, die alleine im Park sitzt und eine Zeitung liest? Ein Mann, der alleine im Restaurant etwas essen geht? Ich, die alleine ein neues Land erkundigen möchte?
Ja, es liegt auf der Hand: Wir sind alles arme und einsame Schweine, die keine Freunde haben und mit hoher Wahrscheinlichkeit an einer Depression oder Anpassungsstörung leiden. Ist doch klar, oder?
Okay, Ironie beiseite: Das Alleinsein kann dir zu deinem Glück enorm weiterhelfen. Wirklich! Inwiefern?
Hier sind ein paar gute Gründe, warum du dem Alleinsein echt eine Chance geben solltest. Aber überzeuge dich doch selbst:
Einmal auf Abstand bitte.
Hand auf’s Herz: Das Erste, was du nach dem Aufstehen machst, ist dein Handy checken, oder? Vermutlich machen es die Meisten von uns sogar noch während sie im Bett liegen. WhatsApp Nachrichten beantworten, auf Instagram ein paar Likes verteilen und bei Facebook die Freunde unter lustigen Memes markieren. Die Tasse Kaffee wird schnell zwischen dem Duschen und Anziehen runtergekippt, die Brezel im Auto verdrückt und shit, da steht man schon wieder im Stau. Man ist viel zu spät dran, Gehupe hier, Geschimpfe da.
„Haben manche eigentlich ihren Führerschein im Lotto gewonnen?“
Gestresst muss noch ein Parkplatz gesucht werden und auf der Arbeit läuft es auch nicht sonderlich besser. Das Telefon klingelt ununterbrochen und bleibt einfach keine Sekunde still. Die Kollegin braucht deine Hilfe, der Chef will endlich eine Lösung von dir und der Kunde wartet schon mit seiner Beschwerde auf dich, um seinen Frust so richtig bei dir auszulassen!
In der Mittagspause sitzen wir dann da – völlig ausgeknockt! Mit dem Gefühl als wäre man Rocky, in der K.O. Runde angekommen. Aber der Tag ist noch nicht vorbei, nein. Das geht den lieben langen Tag so weiter und hört mit dem Feierabend auch nicht auf. Denn da gibt es noch diese sozialen Verpflichtungen:
Familientreffen beim Opa, Geburtstag von der besten Freundin, Kino mit der Partnerin oder Club Abende mit Freunden.
Da sind Menschen. Erwartungen. Druck. Geräusche; viele Geräusche. Ständige Reizüberflutung – gefühlt 24/7! Obwohl wir hier das „gefühlt“ eigentlich streichen könnten. Denn das passiert uns jeden verdammten Tag!
Mit der Ruhe zur inneren Zufriedenheit
Klar, wir haben auch Spaß. Machen Dinge, die uns Freude bereiten. Doch zur Ruhe kommen wir dabei nicht. Absolut nicht! „Work-Life-Balance“ hin oder her. Was wir zusätzlich brauchen ist Zeit für uns selbst. Die sogenannten „Me-Times“. Und zwar jeder von uns. Mann nicht weniger als Frau und Frau nicht weniger als Mann!
Die Zeit alleine kann auch nicht durch die Zeit mit Freunden ersetzt werden. Selbst dann nicht, wenn deine Freunde deine Moves auf der Tanzfläche feiern. Und schon dreimal nicht, wenn der heiße Typ von der Bar die Finger nicht von dir lassen kann oder das Girl auf der Tanzfläche sich von dir auf ein Drink einladen lässt.
Bestätigung ist toll. Diese Art von Bestätigung kommt allerdings nur von außen. Streichelt lediglich deine Seele. Was aber am Ende des Tages zählt, ist die Bestätigung für dich selbst. Nämlich die Innere. Das Ankommen. Diese Selbstliebe. Dieses mit sich selbst ins Reine kommen und das Festigen! Das ist es, was wirkliche Zufriedenheit bringt.
Weil du der Mensch bist, mit dem du die meiste Zeit deines Lebens verbringen wirst. Musst! Und mit genau dieser Erkenntnis solltest du jetzt spätestens anfangen, zu lernen, dich mit dir selbst zu beschäftigen. Dich zu akzeptieren und auszuhalten. Um genau zu sein so lange, bis du das Alleinsein in vollen Zügen genießen kannst!
Positiver Effekt auf deine Gesundheit & Wohlbefinden
Wie du deine Zeit mit dir selbst verbringst, liegt dabei vollkommen bei dir. Es muss nicht das alleinige Verreisen in ein fremdes Land sein. Es reicht auch schon ein Schaumbad mit entspannter Musik, der Spaziergang an der frischen Luft im Wald oder eben der Besuch im Park mit einem guten Buch oder Musik in den Ohren. Wichtig ist, sich bewusst Zeit zu nehmen und Raum für sich selbst zu schaffen. Runterzukommen. Energie zu tanken. Zu reflektieren. Gedanken neu zu sortieren ohne die ständige Meinung und Ratschläger Dritter. Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Für einige Stunden einfach mal nicht erreichbar zu sein. Das bedeutet übrigens auch, sich mal dem Sog sozialer Medien zu entziehen. Just saying.
Das Alleinsein dient deiner Regeneration. Man kann Dinge, die einen beschäftigen, innerlich klären. In vielen Kulturen ist genau dieser Rückzug ein unglaublich wichtiger Prozess. |
Warum ist es denn so komisch, dass die Frau alleine im Park sitzt und eine Zeitung liest? Und warum soll der Mann, der alleine im Restaurant isst, keine Freunde haben?
Kann es denn nicht genauso gut möglich sein, dass er ein unfassbar selbstbewusster Typ ist, dem es nur vollkommen gleichgültig ist, was die Menschen über ihn denken? Er sich selbst nur ein leckeres Essen nach einem anstrengenden Tag im Büro gönnen möchte? Sich nicht von Freunden, Familienmitgliedern oder Bekannten abhängig machen will, die heute keine Zeit für ein Restaurantbesuch hatten?
Das sind keine Aliens; all das sind Menschen mit Selbstfürsorge. Selbstliebe. Und genau das ist ganz schön gesund. Und ganz schön viel Balsam für die Seele!
Erfüllung deiner Träume & Unabhängigkeit
Ich habe von Zanzibar geträumt. Es war eines der Reiseziele in meinem Leben, welches ganz oben auf meiner Travel Bucketlist stand! Seit Jahren war es mein Traum, dorthin zu verreisen und jedes Jahr gab es einen anderen Grund, warum ich es nicht getan habe. Mal war es aus Geldgründen, mal der Freund, von dem man sich dann getrennt hatte oder die Freundin, die den Urlaub aus beruflichen Gründen nicht antreten konnte. Und das Spiel hätte ich vermutlich noch Jahre lang weiterspielen können. So wie dieses Jahr. Es war nicht von Anfang an geplant, alleine nach Zanzibar zu reisen. Mir ist nämlich meine Begleitung abgesprungen. Ziemlich kurz vor der Buchung sogar!
Doch was nun? Noch ein Jahr warten und hoffen, dass es dann klappt? Weiterhin mich durch die Bildersuche auf Google klicken und bei jedem paradiesischen Strand denken „hach Zanzibar, das wäre jetzt so schön dort“?
Hätte ich tun können, ja! Und zwar, wenn ich mich weiterhin von den Menschen aus meinem Umfeld abhängig mache. Weiterhin mir den Kopf darüber zerbreche, dass ich durch das öffentliche Alleinsein bei anderen Menschen einen seltsamen Eindruck erwecken könnte. Ich hätte also noch ein weiteres Jahr abwarten können, bis dann vielleicht bei mir etwas dazwischen gekommen wäre. Ich hätte so viel länger noch warten können, bis zu diesem einen Tag:
An dem ich mir selbst eingestehen müsste, dass aus einem Traum eine ungenutzte Chance geworden ist. Vielleicht weil ich dann einfach nur für eine so weite Fernreise zu alt oder krank bin. Man weiß ja schließlich nie was alles in einem Jahr passieren kann…
Frei von der Meinung anderer
Stelle dir mal kurz eine Frage: Wie oft hast du etwas vor Angst darüber, was andere über dich denken könnten oder aufgrund Ratschläge Dritter nicht getan? Es ist nahezu für jeden von uns unmöglich diese Frage mit „kein einziges Mal“ zu beantworten. Weil wir alle schon diese Momente hatten. Wir etwas abgesagt, nicht durchgezogen oder gar nicht erst angefangen haben. Uns nicht getraut haben, das zu tun, was wir uns in dem Moment so sehr gewünscht haben.
Just do it!
Halleluja und was bin ich froh, diese Zeilen schreiben zu können. Ich habe es zum Glück dieses Jahr einfach getan und ja, ich werde wieder alleine verreisen! Wieder Dinge tun, von denen andere mich am liebsten abhalten wollen. Ich möchte nicht zu den Menschen gehören, die sich Träume selbst zerstören, die man eigentlich hätte selbst problemlos verwirklichen können. Und ich möchte auch nicht zu den Menschen gehören, die sich im Alltag von anderen Personen abhängig machen. Auf bestimmte Unternehmungen oder Aktivitäten verzichten. Einfach nur aus dem Grund, weil sich niemand anderes findet, der teilhaben will. Habe ich Bock auf etwas oder möchte irgendetwas Bestimmtes tun, weil mich das glücklich macht, dann tue ich es einfach. Und das solltest du auch tun.
„Always choose happiness“ – also go for it, wofür auch immer deine Leidenschaft oder Seele brennt!
Ich will nicht irgendwann Dinge bereuen, die ich nicht getan habe. Ich will frei sein. Die Welt entdecken. Notfalls auch mal alleine.
Alleinsein und die Sache mit dem Selbstbewusstsein & Selbstvertrauen
Für die persönliche Weiterentwicklung ist es enorm wichtig, Schamgefühle zu überwinden. Sich bewusst bestimmten Herausforderungen zu stellen, Chancen wahrzunehmen und Komfortzonen zu verlassen. Raus aus dieser Wohlfühlblase zu gehen.
Es ist normal, sich anfangs unsicher zu fühlen, wenn man Dinge ohne die Gesellschaft macht. So war das auch mit meiner ersten Reise im Alleingang. Ich hatte eine wahnsinnige Angst. Aber ich habe mich dieser gestellt. Weil ich an das Gefühl hinterher gedacht habe! Daran, dass ich etwas alleine – ohne die Hilfe oder Unterstützung anderer – geschafft habe. Meine größte Angst hinter mir gelassen und mit Mut eine persönliche Grenze überschritten habe. Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass das unglaublich dein Selbstvertrauen stärkt? Du bei genau sowas an dir wächst und selbstbewusster wirst?
Wer öfters alleine unterwegs ist und Dinge unternimmt, lernt sich so viel besser kennen. Du lernst, wie du dir selbst bei Problemen weiterhelfen kannst. Dinge zu tun, ohne weitere Regeln und Einschränkungen.
Nur wer sich mal selbst ausprobiert und Zeit mit sich verbringt, findet heraus, wer er wirklich ist. Und wie seine individuelle Balance aus Gesellschaft und Alleinsein aussieht. Und das hat übrigens auch Oscar Wilde so gesehen:
"Ich denke, es ist sehr gesund, Zeit mit sich alleine zu verbringen. Du brauchst die Erfahrung, wie es ist, mit dir allein zu sein und nicht durch einen anderen Menschen definiert zu werden." |
Keine weiteren Anmerkungen dazu!
Alleinsein vs. Einsamkeit
Im Laufe unseres Lebens wird es immer mal wieder Zeiten geben, in denen wir alleine sein werden. Müssen. Ob wir wollen oder nicht: Familien und Freunde leben oftmals verstreut in mehreren Städten, Beziehungen werden in die Brüche gehen oder für die Karriere wird weggezogen. Der Kreis deiner Liebsten wird immer mal wieder verkleinert. So ist der Lauf des Lebens, Wege trennen sich. Am Ende werden wir im besten Falle alt, nur altern wir bis zum Ende meist leider nicht zu zweit. Der Partner stirbt uns weg, Eltern sind nicht mehr da und aus dem plötzlichen Alleinsein entwickelt sich ganz schnell etwas anderes: Einsamkeit! Das ist etwas Tragisches und nicht das Alleinsein an sich!
„Wenn du alleine reist, bist du dann nicht voll einsam dort?“ Nein. Es gibt einen bedeutenden Unterschied zwischen „allein“ und „einsam“:
Alleine bin ich, wenn ich von keinen anderen Menschen direkt und bewusst umgeben sein möchte. Das kann eine Bereicherung sein, einen zur Ruhe kommen und neue Energie tanken lassen.
Einsam hingegen bin ich, wenn ich etwas vermisse, mich unfreiwillig getrennt oder abgeschieden vom Rest der Menschheit fühle. Auch kann ich mich einsam fühlen, wenn ich sogar in einem kleinen Raum mit vielen anderen Personen bin! Doch genau dieses Gefühl ist keine Bereicherung mehr, sondern ich spüre einen Defizit. Einen Mangel. Mir fehlt also etwas!
Und Einsamkeit zu ertragen, wenn man vorher nie richtig gelernt hat, Zeit mit sich selbst auszuhalten, stelle ich mir um einiges härter vor, als es vermutlich dann sein wird!
Das Alleinsein ist keine Notlösung.
Nein, es ist nämlich eine Stärke. Ein Akt der Selbstbestimmung!
Also werde ich wieder meinen Koffer für eine Reise allein packen. Die Freiheit genießen, mal keine Rücksicht auf jemand anderen nehmen. Ein neues Land mit all ihren Sinnen intensiv wahrnehmen, unbeeinflusst auf mich wirken lassen. Unabhängig sein.
„Allein“ ist für einige unter uns ein Fremdwort. Ein tragisches Wort, um einen Dauerzustand zu beschreiben. Doch das soll es gar nicht sein. Alleinsein bedeutet lediglich, sich bewusst eine Auszeit zu nehmen.
Bist du in der Lage, die Macht vom Alleinsein zu erkennen, werden sich ganz neue Türen für dich öffnen. Ziemlich viele neue um ehrlich zu sein. Und die erste wird sein, dass du anfängst, ein Leben zu leben, welches du willst.
Weil du in deinen ruhigen Momenten das Richtige für dich erkennst!