Dinge, die ich meinem jüngeren Ich sagen würde

Dinge, die ich meinem jüngeren Ich sagen würde

Es gibt Dinge im Leben, die hätte man doch irgendwie gerne vorher gewusst, oder?
Dass beispielsweise der Bob in Kombination mit abrasierten Nackenhaaren einem nicht sonderlich gut stehen. Zumindest dann nicht, wenn man eigentlich seinen inneren 2007-BritneySpears-Moment für sich behalten wollte.
Oder dass die erste große Liebe einem ganz schönen Liebeskummer bereiten wird und das vermeintliche Happy End mal so gar nicht happy ausgehen wird. Die Welt mit ein paar Kilos mehr an Gewicht nicht untergeht. Oder auch einfach, dass das Erwachsensein echt eine teure Angelegenheit ist!

Blicke ich zurück, muss ich anfangen zu Schmunzeln. Für einen kurzen Moment zumindest. Denn da ist etwas, dass mich nachdenklich stimmt. Etwas, dass mich zu tiefst berührt.


Reise in die Vergangenheit

Wir schreiben das Jahr 2008.
One Republic erobern mit „Apologize“ die Charts, Deutschland hofft beim EM-Finale gegen Spanien auf den vierten Titel und ich bange in meinem zehnten-Klasse-Zeugnis um die Vier in Mathe. Oder war es die Fünf? Whatever – Hauptsache nicht Sitzenbleiben. Ich gebe zu, das war alles, was zu diesem Zeitpunkt zählte!

Ja, ich erinnere mich gut an diese Zeit. Dieses Jahr habe ich immer als das für mich Schlimmste betitelt. Im Nachhinein war es wohl eher mit das am Dramatischsten. Ich war mitten in der Pubertät.

Ich erinnere mich an viele verwirrenden Gefühle. Entscheidungen, mit denen ich überfordert war. Freunde, von denen ich mich hintergegangen gefühlt hatee. Belogen. Ausgenutzt. An Kummer, der mich zeitweise lähmte und Selbstzweifel, die mich dazu brachten, tagelang – nein, monatelang – zu hungern. Die mich in eine Essstörung trieben.
Ich erinnere mich an Chaos. Drama. An typische Teenager Probleme halt.


Wenn ich damals schon gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich dann weniger Bedenken gehabt?
Weniger Ängste?
Weniger Unsicherheiten und dafür ein wenig mehr Selbstsicherheit?

Vielleicht.
Kann gut sein.



„Setz’ dich Kind, ich erzähl’ dir ein Stückchen vom Leben.“

Als Einzelkind gab es mehr als nur eine Situation, in denen der Wunsch nach einer großen Schwester da war. Die Schwester, die sich mit heißer Milch, Keksen und Kuscheldecke zu mir setzt, weil es mir mal nicht gut geht. Die mir mal so ein bisschen von den kommenden Lebensjahren erzählt. Mich versteht, weil sie mir nur wenige Jahre voraus ist.

Es gab wirklich mehr als nur eine Situation, in denen ich mir diese Person neben mir gewünscht hätte. Aber hey, was hätte das eigentlich verändert?
Was wäre denn passiert, wenn mir vorher jemand geraten hätte, sich nicht auf ihn einzulassen? Vielleicht hätte ich mein Herz einfach an jemand anderen verloren?
Wäre ich dann aber auch vor dem Liebeskummer sicherer gewesen? Oder hätte es dann nicht sein können, dass ich ihn einfach nur zu einem späteren Zeitpunkt kennengelernt hätte? Vielleicht wäre da die Zeit richtig gewesen, vielleicht aber auch selbst dann nicht.

Was wäre, wenn ich vorher gewusst hätte, wer von meinen Freunden die wahren sind? Weniger Gewicht nicht gleichzeitig mehr Selbstbewusstsein und Beliebtheit bedeuten? Was hätte ich alles verpasst, wenn ich mich mehr auf die Schule konzentriert hätte?
Was wäre wenn?

Ich kann es dir verraten. Mein Leben wäre anders verlaufen. Ich war ein junges Mädchen, dass zwar genau wusste, was sie will, aber sich nach heutiger Sicht viel zu sehr von Außen hat beeinflussen lassen. Weil ich es damals nicht besser wusste. Zuversicht und Selbstvertrauen erst in mir wachsen, Selbstbewusstsein ich erst lernen musste. Lernen, dass Intuition und Bauchgefühl aussagekräftiger sind, als Meinungen oder Ratschläge Dritter.

Ich hätte also genau hingehört, aufmerksam zugehört. Auf meine eigenen Weisheiten und Ratschläge. Ich hätte mich beeinflussen lassen. Dinge bestimmt anders gemacht. Vielleicht besser. Vielleicht aber auch schlechter.

Es wäre definitiv anders verlaufen, wenn ich Dinge gewusst hätte, die ich heute weiß. Aber hätte mich das vor anderen Fehlern bewahrt?
Ich glaube an Schicksal. Ich glaube daran, dass alles aus einem bestimmten Grund passiert. Dinge passieren, weil sie passieren müssen! Das Leben uns testet. Den einen mehr, den anderen weniger. Den einen früher, den anderen später.

Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, wäre ich vorsichtiger gewesen. Wichtige Erfahrungen nicht zum richtigen Zeitpunkt gemacht, obwohl gerade die Jugend dafür da ist, sich auszuprobieren. Sich selbst kennenzulernen…

 

Dinge, ich meinem jüngeren Ich sagen würde

Ich könnte so vieles loswerden. Die Position der großen Schwester einnehmen. Die 14-jährige Janine warnen, damit sie anders handelt, ihr gemachte Fehler und Enttäuschungen erspart bleiben.

Es gibt so vieles, vor denen ich mir selbst damals gerne die Angst genommen und gleichzeitig so unglaublich viel Mut zugesprochen hätte. Zuversicht. Hoffnung. Die Liste wäre lang. Gefüh endlos.

Doch weißt du was? – Ich würde es nicht tun. Nichts von all dem. Keine Ratschläge oder Tipps geben. Weil ich immer wieder Fehlentscheidungen treffen, Enttäuschungen erleben, Ungerechtigkeit erfahren oder Tränen verlieren werde. Hinfallen. Wieder aufstehen. Ich werde bereuen, aber ich werde auch lernen. So wie ich es als Teenager getan habe, so werde ich es jetzt tun. Und mit vierzig Jahren. Bestimmt das ein oder andere Mal auch noch mit Sechzig.

Der bedeutsame Unterschied? Man wächst an sich selbst. Jedes verdammte Mal! Ich habe meine eigenen Erfahrungen gemacht. Das war schon immer so. Musste ich. Gott sei Dank!
Ich weiß nun, dass beispielsweise Menschen, die mir nicht gut tun, aus meinem Leben gestrichen werden müssen. Begegnungen schmerzhaft, aber auch wunderschön sein können. Es gibt vieles, was ich heute weiß.

In jungen Jahren machen wir Erfahrungen gefühlt öfters, weil so vieles in kürzester Zeit auf uns einwirkt und zukommt. Da ist alles schnelllebiger. Es fehlt uns an Lebenserfahrung. Werden mit Situationen konfrontiert, die uns neu sind.
Da ist einfach noch so viel zum Lernen.
Doch mit der Zeit wird es besser. Man wird stärker. Irgendwie gelassener.

 

Von Angesicht zu Angesicht

Ich stelle mir also vor, wie ich vor der jüngeren Janine stehe. Blicke in große Augen, die mit viel zu schwarzem Kajal umrandet worden sind. Aber auch in Augen, die mit Tränen gefüllt sind. Ich kann diese Leere spüren. Sehen, wie bei ihr das Jahr seine Spuren hinterlassen hat.
Ich merke, wie ich einen Kloß im Hals habe und bin mir dennoch meiner Entscheidung sicher:

 Nichts von all dem, was ich heute weiß, würde ich ihr sagen. Weil ich es nicht kann. Irgendwie nicht fair finde.

Weil ich selbst jetzt, mit meinen 25 Jahren nicht wissen möchte, mit welchen Lektionen ich in den nächsten zehn Jahren noch konfrontiert werde. Welche Hindernisse ich meistern muss. Ich möchte nicht wissen, was für Zitronen mir das Leben noch geben wird. Ich will auch nicht wissen, welche schönen Momente auf mich zukommen werden.

Manchmal ist es einfach besser, unvorbereitet zu sein. Nicht zu wissen, was heute, morgen oder in ein paar Jahren passieren wird. Wir sollten nicht voreingenommen sein. Nein, das sollte wirklich nicht.
Würde ich meinem jüngeren Ich jedoch alles erzählen, dann wäre ich das aber. Ich würde mehr schaden, als Gutes tun!



Du bist gut, so wie du bist!

Gedanklich stehe ich also vor mir selbst. Schweigend. Ich würde vor mir selbst stehen und keine passenden Worte finden. Mein jüngeres Ich enttäuschen, weil da so viel Hoffnung ist. Weil da ein kleines Mädchen stehen würde, die mit ihren Blicken nur so nach meinen Worten bettelt. Der man unglaublich gerne die Angst nehmen möchte.

Du und ich, wir wissen beide, dass die Vorstellung nur in unseren Köpfen existiert. Wir nicht in die Vergangenheit und uns schon dreimal nicht klonen können. Aber wenn wir das für ein kurzen Moment, für einen klitzekleinen Augenblick, vergessen…


Was würdest du denn tun?


Es klingt banal, so kitschig und irgendwie berührend, denn ich würde mich selbst einfach nur in den Arm nehmen. Mich fest drücken. Nicht zu fest. Auch nicht zu kurz. Es ist dieses „in den Arm nehmen, wo man sich fallen lassen kann“. Wo man eine Schulter zum Anlehnen findet. Diese Schulter, die dir auf der einen Seite so viel Kraft gibt – und auf der anderen Seite dich kurz innerlich zusammenbrechen lässt.

 Und dann würde ich doch reden, weil es da etwas gibt, dass ich loswerden muss – und zwar, dass ich gut bin. Genauso wie ich bin. Mein Herz am rechten Fleck ist und es sich nicht aus Angst verschließen darf. Ich selbst nach der hundertsten Enttäuschung offen sein soll für die Liebe und für den Schmerz. Für die schönen Momente und für die traurigen. Für all die Dinge, dir mir das Leben noch so zu bieten hat.

Ich würde sagen, dass am Ende alles gut wird. Ja, und zwar so richtig gut!


Gefühlskarussell

Es gibt Dinge im Leben, die hätte ich gerne vorher gewusst. Dinge, vor denen man mich gewarnt hätte. Aber heute bin froh. Darüber, dass ich Erfahrungen selbst gemacht habe. Mich eben keiner gewarnt, davor beschützt hat, damit ich weniger bereue. Leide. So sehr ich das Beste für mich selbst möchte, so sehr weiß ich, dass das nicht immer möglich ist. Zum Glück. Wie könnte man denn sonst auch die guten Tage oder Momente zu schätzen wissen?

Ich brauche das. Gefühle. Alle – und zwar viele davon. Nicht nur die guten, sondern auch die schlechten. Diese kleine Achterbahn einfach. Diesen Regen, bei dem man weiß, dass danach der Sonnenschein kommt. Und in der Jugend gibt es diese Achterbahn und den Regen vielleicht etwas gewaltiger. Einbrechender. Weil wir noch nicht so genau wissen, wer wir überhaupt sind, wo wir hin möchten oder was uns ausmacht.

Ich wäre nicht der Mensch, der ich heute bin, wenn ich Dinge anders gemacht hätte. Andere Entscheidungen getroffen hätte. Doch wer noch nie von seinem Weg abgekommen ist, der wird den richtigen auch niemals zu schätzen wissen können, oder? Diese Kleinigkeiten im Leben. Die Magic Moments. Wäre man überhaupt noch in der Lage, diese dann wahrzunehmen?
Alle Gefühle und Emotionen sind miteinander verbunden. Das gehört zum Leben einfach dazu. Hörst du? Das gehört zum Leben einfach dazu…



Glück ist nicht die einzige Emotion

Ich meine, wenn wir wirklich unserem jüngeren Ich erzählen müssten, was wir bisher erlebt haben, würdest du dann auch über die schönen Momente reden?
Würdest du von der unvergesslichen Reise erzählen?
Den romantischen Nächten unter dem Sternenhimmel?
Von den legendären Clubabenden?
Oder von dem einem Typen, mit dem du die beste Nacht deines Lebens hattest?
Wie du heimlich den Unterricht geschwänzt hast, mit Freunden lachend im Café saßt oder von diesem einen Moment? Du weißt schon, als du das letzte Mal das Schulgebäude verlassen hast mit dem Abitur in der einen und dem Alkohol in der anderen Hand.

Ich behaupte, du würdest das nicht tun. Dir selbst nicht die Freude und Spannung nehmen. Du würdest dich selbst nur vor den negativen Erlebnissen warnen. Vor Erfahrungen, die dich unglücklich gemacht haben. Weil das in deinen Augen falsch lief. Sich nicht gut angefühlt hat. Das wäre nicht richtig.

Glück darf und soll nicht die einzige Emotion sein, der wir hinterherrennen. Weil wir sonst daran vorbeilaufen.

Wir würden ansonsten einfach daran vorbeilaufen….

Dankbarkeit. Ich spüre tiefe Dankbarkeit. Weil mir rückblickend bewusst wird, wie sich mein Leben verändert hat. Ich zufrieden bin. Mit mir selbst im Reinen. Und das fühlt sich gut an. Auch wenn ich meinem jüngeren Ich nicht viel sagen würde, bei einer Sache bin ich mir sicher: Mein 14-Jähriges Ich würde mich als Vorbild nehmen. Und stolz sein. Stolz darüber, was aus mir geworden ist und wie ich mich entwickelt habe.

Und dann wäre ich es, die mit großen, tränenerfüllten Augen vor ihr stehen würde.
Weil ich endlich im Reinen mit mir bin.

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